Vereinbarung mit der schottischen Devro PLC/ Aktionäre euphorisch
Schottland, Heimat des Whiskys, aber auch der Wursthüllen. Letztere haben aktuell den Lebensmittelrecycler Saria SE & Co. KG auf den Plan gerufen. Die zum Rethmann Konzern gehörende Unternehmensgruppe aus Selm (Westfalen) will über ihre niederländische Tochtergesellschaft Saria B.V. die Devro PLC mit Hauptsitz im schottischen Moodiesburn übernehmen.
Laut einer Mitteilung von Saria ist eine Vereinbarung über eine mögliche Übernahme zwischen den beiden Unternehmen geschlossen worden. Der Kaufpreis wird mit 540 Millionen britische Pfund, Tageskurs 627.966.000 Euro, beziffert. Nach EM-Information wird diese Summe ohne Fremdfinanzierung aufgebracht. Devro PLC produziert neben Wursthüllen auch Folien und spezielle Produkte für den Einsatz in der Pharma- und Kosmetikindustrie. Basisstoff ist jeweils Kollagen.
“Billionaire German sausage dynasty”
„Devro falls to one of Germany’s richest families, Devro fällt an eine der reichsten Familien Deutschlands“ kommentiert Proactive Investors den bevorstehenden Deal. “Billionaire German sausage dynasty snaps up British casings firm”, milliardenschwere deutsche Wurst-Dynastie schnappt sich britischen Hersteller von Hüllen, titelt in nur teilweise richtiger Form „The Telegraph“. Denn eine Wurst-Dynastie ist SARIA oder dessen Inhaberfamilie allenfalls in den Sinne, dass abgelaufene Fleischprodukten verarbeitet werden.
Der Rest der Transaktion scheint, sofern die britische Kartellbehörde mitspielt, eine reine Formsache zu sein. Das Topmanagement von Devro hat sich nach Eigenangaben einstimmig darauf geeinigt, den Aktionären von Devro die Annahme des „fairen und angemessenen SARIA-Angebotes“ zu empfehlen. Die Londoner Börse, an der Devro seit 2010 notiert ist, hat nach Bekanntwerden des Übernahmeangebots mit einem Kursgewinn von gut 60 Prozent bereits deutliche Signale ausgesendet.
Aktiönäre sind euphorisch
Das spiegelt nicht zuletzt die euphorische Stimmung der Aktionäre wider, die durchaus nachvollziehbar ist. Denn das letzte Kurshoch von Devro liegt mehr als 20 Jahre zurück. Die Finanzkrise und auch der Brexit forderten ihren Tribut. Hinzu kam, dass es nicht immer gute Nachrichten aus dem Headquarter in Moodiesburn nach draußen drangen. 2019 kündigte das Unternehmen die Schließung seiner Fabrik in Bellshill (Lanarkshire) und den Verlust von 90 Arbeitsplätzen an. Im Jahr 2000 hatte Devro sein Zellulosegeschäft für 4,9 Millionen Pfund verkauft, was zu einem außergewöhnlichen Verlust von 54,5 Millionen Pfund führte.
Hoffnungsvolles Management
Umso hoffungsvoller zeigt sich Steve Good, Chairman von Devro. “Unter der Eigentümerschaft von Saria wird das kombinierte Unternehmen über ein erweitertes Produktangebot verfügen, eine stärkere, diversifiziertere Skalengruppe sein und versuchen, das langfristige nachhaltige Wachstum weiter zu beschleunigen“., erklärte er gegenüber BBC. Er glaube, dass Sarias Verständnis für unsere Märkte, seine starke finanzielle Position und die kulturelle Nähe dem Geschäft und den Mitarbeitern der Gruppe zugutekommen werden.“

Harald van Boxtel. Foto: Van Hessen Holding B.V.
Harald van Boxtel, Topmanager von SARIA, beteuerte, dass alle sieben Standorte nicht nur erhalten blieben, sondern deren Kapazität durch Investitionen erhöht werden solle. Auch sei die Übernahme der Mitarbeitenden vorgesehen. . Zudem plane SARIA „eine detaillierte Überprüfung der Forschungs- und Entwicklungsfunktion von Devro mit dem Potenzial für zusätzliche Investitionen”.
Der Zusammenschluss von Devro und der SARIA Gruppe würde „zwei führende internationale Unternehmen mit komplementären Produktportfolios, insbesondere im Wurstdarmmarkt, zusammenbringen und eine Plattform für nachhaltiges und skalierbares Wachstum in hochattraktiven und dynamischen Kategorien bieten”, hob van Boxtel hervor. Die kombinierten Unternehmen wären ideal positioniert, „um das Wachstum sowohl in reifen als auch in aufstrebenden Märkten zu nutzen, indem sie die kombinierte Verkaufs- und Vertriebsplattform, eine verbesserte Forschungs- und Entwicklungsfunktion und eine breitere Produktpalette maximieren“. Damit “könne Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten gleichermaßen eine Reihe von Vorteilen geboten werden.
Auf gewohntem Terrain
Bei der Übernahme würde sich SARIA auf gewohnten Terrain bewegen. Kollagen und das daraus gewonnene denaturierte Produkt Gelatine wird aus Schlachtnebenprodukten, sprich Schlachtabfällen hergestellt- bekanntermaßen einem der hauptsächlichen Geschäftsfelder von SARIA. Zudem stellt eine Tochtergesellschaft von SARIA ebenfalls Wursthüllen her „und vertreibt bereits Devro-Produkte in Brasilien“, wie BBC meldet.
Wursthüllen aus Kollagen
Devro (heute zirka weltweit etwa 1.900 bis 2.000 Mitarbeitende) wurde Anfang der 1950er Jahren von Johnson & Johnson (J&J) gegründet. Dies geschah, nachdem konzernintern ein Verfahren entwickelt wurde, das die Herstellung von Wursthüllen aus Kollagen ermöglicht. Der Unternehmensname ist ein Akronym für “Development and Research Organisation” von J&J , aus der Devro hervorging. 1991 erfolgte ein Management Buyout in Höhe von 109 Millionen Pfund. 1996 wurde Devro von der US-amerikanischem Firma Teepak International für 135 Millionen US-Dollar übernommen. Miterworben wurde seinerzeit die Mehrheitsbeteiligung an der tschechischen Firma Cutisin, die 2004 eine 100-Prozent-Tochter wurde. Ende 2015 erwarb Devro PVI Industries, den niederländischen Kollegenhersteller PV Industries B.V. (PVI) in Gendt für rund 12,5 Millionen Euro.
Devro unterhält neben dem Hauptquartier in Moodiesburn sechs weitere Standorte. Die jüngste und unternehmensweit größte Dependance wurde in Nantong (China) eröffnet. Weitere Standorte befinden sich in Jilemnice und Slavkov (beide Tschechien), Sandy Run (South Carolina. USA), Bathurst, (New South Wales, Australien) und Gendt (Gelderland, Niederlande). Außerdem werden in Deutschland, Russland, Hong Kong, Japan und Neuseeland Vertriebsbüros betrieben.
Der zweite große Deal
Devro ist der zweite große Deal von SARIA in jüngster Zeit. Im Jahr 2017 schloss sich die deutsche Unternehmensgruppe mit der niederländischen Van Hessen BV, einem der größten Unternehmen im Bereich der Naturdärme, zusammen. Zweck der Übung: Expansion in der fleischverarbeitenden und pharmazeutischen Industrie. Damaliger CEO war heutige SARIA-Manager Harald Hendrikus Joannes Antonius van Boxtel, wie er mit vollem Namen heißt.
khg
Oberstes Bild: Auszug aus der Recommed Cash Acquisition. Quelle: UK Regulatory
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