Rethmann: Auch bei Übernahmen an der Spitze

Rethmann: Auch bei Übernahmen an der Spitze

Rethmann: Auch bei Übernahmen an der Spitze 150 150 Klaus Henning Glitza

Kein Konzern hat mehr Firmen „integriert“ / Extensiver Wachstumskurs hält an

 

Die Rethmann SE & Co. KG, die Muttergesellschaft von Deutschlands größten Entsorger REMONDIS und des Lebensmittelrecyclers ReFood, liegt nicht nur umsatzmäßig (2016: 6,08 Milliarden Euro), sondern auch bei den Firmenübernahmen und Zusammenschlüssen unangefochten an der Spitze. Wie EUWID jüngst berichtet, habe kein deutsches Unternehmen „in den letzten Jahren mehr Zusammenschlüsse beim Bundeskartellamt angemeldet“. Der Branchendienst beruft sich dabei auf das Hauptgutachten der Monopolkommission, das am 3. Juli dieses Jahres veröffentlicht wurde.

In den Jahren 2016 und 2017 waren es insgesamt 23 Übernahmen und Zusammenschlüsse. Laut EUWID ist in 20 Fällen die Freigabe durch das Bundeskartellamt erteilt worden. Neuste Zukäufe sind die Mittelständler Müntefering-Gockeln (Herne), Martin Mülder (Emsdetten), Optisys (Wedel), Happe (Dortmund) und Beverungen (Höxter). Außerdem war Rethmann in Polen, Schweden und den Niederlanden auf Einkaufstour.

Diese Übernahmen sind keineswegs das Ende der Fahnenstange. Es mag überzeichnet sein, wenn ein Insider sagt, die bisherigen Käufe seien „aus der Portokasse erfolgt“. Faktum ist aber, dass Rethmann-Konzern über ein Eigenkapital von 2,9 Milliarden Euro verfügt. Das reicht locker für nahezu sämtliche Mittelständler, die noch nicht in den Konzern integriert wurden. „So viel Geld lässt doch niemand ungenutzt liegen“, bilanziert ein Branchenkenner. Das mag wohl stimmen, denn nach EM-Informationen stehen weitere Zukäufe im In -und Ausland unmittelbar bevor.

Neben kleinen und mittelständischen Unternehmen haben die Rethmänner -wie mehrfach berichtet-einen Riesen im Fokus. „Auch die Übernahme des größten dualen Systems DSD steht weiterhin im Raum“, meldet EUWID. Nach EM-Informationen verhandelt der Konzern nach wie vor mit den derzeitigen Eigentümern des größten deutschen Rücknahmesystems, dem Dualen System Deutschland (DSD), besser als der Grüne Punkt bekannt. Längst geht es dabei nicht mehr um den Kaufpreis, sondern um kartellrechtliche Fragen. Der Größte schluckt den Größten, so etwas kann nachvollziehbarer Weise nicht einfach von den Bonner Wettbewerbswächtern durchgewunken werden.

Hauptgegenstand der derzeitigen Verhandlungen ist die Rethmann-Forderung, den Konzern „von kartellrechtlichen Risiken freizustellen“. Auf gut Deutsch bedeutet das, dass die Verkäufer, die Fonds Bluebay und H.I.G. Capital, eine Art von vorgezogenem Schadensersatz leisten.  Als Ausgleich für den Verkauf von Rethmann-Unternehmen, die das Bundeskartellamt ebenso wie eine geänderte Anteilsstruktur möglicherweise fordern könnte. Eine Koryphäe unter den deutschen Kartellrechtlern wurde eingekauft, „um die komplizierte und komplexe Thematik besser zu durchdringen“, so ein Kenner der Materie.

Pech für die Rethmänner: die deutschen, britischen und US-amerikanischen Fondsmanager sind mindestens ebenso harte Verhandlungspartner wie sie selbst. „Die lassen sich nie und nimmer auf faule Kompromisse ein, gegen die ist Kruppstahl ein Weichmetall“, so formuliert es ein Insider. Mit solchen Hardcore-Strategen hätte der Konzern offenbar bisher nicht zu tun gehabt. Ein Abschluss um des Abschluss willen sei „mit denen nicht zu machen“

Wie berichtet, ist die Management-buy-out-Option vom Tisch. Die Führungsriege um Michael Wiener hatte- wie berichtet- nach zuverlässigen Berichten den Versuch unternommen, DSD selbst zu übernehmen. Das Topmanagement hält einen Minderheitsanteil von 20 Prozent an DSD, von denen CEO Wiener fast zehn Prozent besitzt. Aus Finanzkreisen wird berichtet, dass entsprechende Exposés kursierten. Der Grund für die Management-Aktion ist mehr als plausibel. Aus Konzernkreisen wurde bekannt, dass die Führungsriege nicht oder jedenfalls nicht auf Dauer übernommen würde. Und mit dem 20-Prozent-Anteil können die Topmanager auch keinen wirklichen Druck auf die Mehrheitsgesellschafter ausüben.

Glaubt man Insidern, gab es gegen die Management-Buyout-Lösung kaum betriebswirtschaftlichen Vorbehalte. Vielmehr hätten mögliche Investoren einen Zwist mit der Eigentümerfamilie Rethmann befürchtet. Zumal bekannt ist, dass die Rethmänner äußerst schroff und nachtragend auf Vorgänge reagieren, die sie als „unfreundliche Akte“ begreifen. Die Rethmann-Familie zählt mit einem geschätzten Privatvermögen von sechs Milliarden Euro zu den zehn reichsten Deutschen. „Mit solchen Leuten legt sich noch nicht einmal eine Großbank“ an, sagt ein Mann, der sich in diesem Thema bestens auskennt.

Das gilt selbstredend auch für den Konzern an sich. Die Rethmann SE & Co. KG ist Muttergesellschaft von REMONDIS, RHENUS und SARIA (Verwertung von tierischen Nebenprodukten und organischen Reststoffen). SARIA wiederum ist die Mutter von ReFood, einem Lebensmittelrecycler, der im Zusammenhang mit der Schlei-Umweltaffäre in Erscheinung getreten ist.

bem/khg

 

Update I

REMONDIS-Pressesprecher Michael J. Schneider betrachtet den Wachstumskurs aus einer anderen Perspektive. Nicht wenige der übernommenen Betriebe hätten mangels Nachfolgeregelung ansonsten aufgegeben werden müssen. Damit wären nicht nur die Arbeitsplätze verloren gegangen, auch die ordnungsgemäße Durchführung der haushaltsnahen Dienstleistungen wäre unter Umständen gefährdet gewesen. Als ein fundamental gesundes Unternehmen in der Zukunftsbranche Recycling, Service und Wasser habe REMONDIS „mit seinen gezielten Übernahmen von kleineren und mittleren Betrieben Arbeitsplätze in den jeweiligen Regionen“ langfristig gesichert.

Gleichzeitig verändere sich der Gesamtmarktanteil von REMONDIS in Höhe von ca. 20 Prozent bei der haushaltsnahen Erfassung dadurch nicht wesentlich, da mit Green Cycle und chinesischen Investoren weitere Marktteilnehmer auf den deutschen Markt drängen und den Wettbewerb weiter auffächern, so Pressesprecher Schneider weiter. „Alleine mit Green Cycle, hinter denen die Schwarz Unternehmensgruppe (Lidl) steht, tritt nun ein Unternehmen mit 100 Milliarden Euro Umsatz und 145.000 Mitarbeitern, die also ein vielfaches so groß sind wie die Remondis-Gruppe als Ganzes, neu in den Markt ein.“ Dies zeige, dass der Markt funktioniert und es keine Zutrittsbeschränkungen für Wettbewerber gebe.

rd/khg

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