REMONDIS soll seine Hände nach DSD ausgestreckt haben

REMONDIS soll seine Hände nach DSD ausgestreckt haben

REMONDIS soll seine Hände nach DSD ausgestreckt haben 150 150 Klaus Henning Glitza

Verhandlungen laufen: Verleibt sich der Marktführer das größte Rücknahmesystem Deutschlands ein?

Eine bewegte Geschichte hat das „Der Grüne Punkt. Duales System Deutschland (DSD)“ hinter sich. 1993 stand es vor dem wirtschaftlichen Aus. Später wurde das Rücknahmesystem gleich zweimal an ausländische Investoren verkauft. Jetzt steht möglicherweise eine weitere bedeutsame Transaktion ins Haus. Der Branchenriese REMONDIS soll die Hände nach dem alternativen Entsorgungssystem für Leichtverpackungen aus Plastik. Metall und Verbundstoffen und dessen weltweit geschützter Marke „Der Grüne Punkt“ ausstrecken.

Ein Symbol für den Recyclinggedanken. Das Logo des Unternehmens DER GRÜNE PUNKT- Duales System Deutschland GmbH (DSD). Foto: Pressestelle DSD.

Laut Medienmeldungen soll REMONDIS bereits vor Monaten ein erstes Angebot abgegeben haben. Doch sei diese Offerte als viel zu niedrig abgeschmettert worden. Offenbar wollten die Konzernvertreter aus dem westfälischen Lünen gerade einmal eine Summe von 100 bis 150 Millionen Euro lockermachen. Nach dem abgelehnten Kaufangebot soll REMONDIS kurzzeitig aus dem Bieterkreis ausgeschieden sein. Inzwischen sitze der Branchenriese aber wieder mit am Verhandlungstisch. „Mit einem deutlich nachgebesserten Angebot“, wie Insider sagen. Der Wert von DSD liege bei mindestens 200 bis 250 Millionen Euro, wird geschätzt.

DSD und REMONDIS schweigen sich beharrlich über die Verhandlungen aus. DSD bestätigt lediglich pauschal, dass Gespräche mit unterschiedlichen Interessenten geführt würden. REMONDIS-Pressesprecher Michael Schneider spricht von „Marktgerüchten“, die man nicht kommentieren wolle. Doch dementiert haben beide Seiten die möglichen Verhandlungen nicht.

Absolut unstrittig ist aber, dass DSD zum Verkauf steht. Bis Mitte des Jahres, wie es heißt, wollen sich die jetzigen Mehrheitsgesellschafter, die Finanzinvestoren H.I.G. European Capital Partners LLP und BlueBay Asset Management LLP, erklärtermaßen von DSD trennen.

Ein Verkauf wäre in diesem Fall nichts Ungewöhnliches, sondern ein gängiges Geschäftsmodell. Beide Mehrheitsgesellschafter sind „Private-Equity-Gesellschaften“. „Private Equity“ steht für außerbörsliches Eigenkapital. Firmen wie H.I.G. Capital und BlueBay beteiligen sich ausschließlich an Unternehmen, die nicht an der Börse notiert werden oder deren Börsengang abgesagt wurde. Hinter Private-Equity-Gesellschaften stehen nicht nur private Investoren, sondern häufig auch institutionelle Anleger. Sprich Banken und Versicherungen. Der Profit besteht darin, dass die Beteiligungsgesellschaft nach einer durchschnittlichen Haltezeit von drei bis fünf Jahren weiterverkauft wird. Und das, wie sich versteht, mit möglichst hohem Gewinn.

Doch nicht nur das Geld spielt eine Rolle. Der Verkauf ist nach zuverlässigen Angaben an eine Bedingung geknüpft. Der Käufer soll in der

Unterschiedliche Tonnen für unterschiedliche Abfälle- darauf basiert das System des DSD. In vielen Gegenden hat die Öko-Tonne (braun) eine grüne Farbe. Immer öfter ist auch die blaue Tonne für Papierabfälle anzutreffen. Foto: Maik Schwertle/pixelio.de

Lage sein, das Duale System Deutschland nachhaltig weiter zu betreiben. Das ist auch der ausdrückliche Wunsch des Managements, das derzeit 20 Prozent der Anteile hält. Strategische Investoren wie REMONDIS haben deshalb von Haus aus eine höhere Chance als klassische Finanzinvestoren. Letztere sind bekanntermaßen vor allem auf eine rasche Steigerung des Unternehmenswertes und den schnellen „Exit“, den Ausstieg mit Gewinn, orientiert. Das hat mit Nachhaltigkeit wenig zu tun. Strategische Investoren wollen dagegen überwiegend das eigene Geschäftsmodell stärken und ihren Marktanteil erhöhen. Das funktioniert nicht mit Power-Maßnahmen im Expresstempo.

Dass ein „langfristig orientierter Investor“ favorisiert würde, hatte H.I.G.-Geschäftsführer Holger Kleingarn bereits Anfang des Jahres gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung angedeutet. DSD sei jetzt so weit, „dass es einen nachhaltigen Hafen finden kann und sollte“, sagte der Manager.

Langfristige Orientierung ist aber nicht das Ding von Finanzinvestoren. Sie denken schon beim Kauf an den lukrativen „Exit“. So und nicht anders funktioniert schließlich das Private-Equity-Investment. Legt man die Worte des H.I-G.-Mannes auf die Goldwaage, kommen Finanzinvestoren, die offenbar auch zu den Bietern gehören, allenfalls in zweiter Linie in Frage.

Was könnte REMONDIS an DSD interessieren? Wer strategisch investiert, verspricht sich naturgemäß Vorteile, die mehr wert sind als das Investment selbst. Zum einen würde REMONDIS auf einen Schlag zur Nummer 1 der Dualen Systeme in Deutschland werden und die konkurrierenden Systeme weit hinter sich lassen. Und: Eine Nummer 1 pflegt den Ton anzugeben. REMONDIS wäre dadurch möglicherweise in der Lage, „den Markt aufzumischen und radikal umzuwälzen“, wie Mittelständler befürchten.

Allerdings könnte das Investment auch problematisch für REMONDIS sein. Denn der Marktführer ist selbst Auftragnehmer von DSD. REMONDIS-DSD würde so an REMONDIS-Dienstleistungen Aufträge vergeben. Bei Ausschreibungen wären theoretisch die Angebote der Mitbewerber kein Geheimnis mehr. Diese „Kuh“ könnte man allerdings vom Eis bekommen, wenn das neue DSD das Einsammeln der gelben Säcke und das Leeren der gelben Tonnen nicht mehr an andere Unternehmen vergibt, sondern selbst in die Hand nimmt. Das wäre nichts Neues. Vorstöße dieser Art hat es beim klassischen DSD mehrfach gegeben- allerdings ohne Erfolg.

DSD als Auftraggeber und Dienstleister in eigener Sache zugleich. Das wäre die radikalste Umwälzung des Entsorgungsmarktes seit langem. Mittelständische Unternehmen wären noch kategorischer vom Markt abgeschnitten. Denn Dienstleistungen für DSD sind für viele private, aber auch kommunale Entsorger eine Existenzgrundlage.

Abholung von Gelben Säcken, die in vioelen städtischen und ländlichen Bereiche eine Alternative zu Wertstofftonnen. Das Duale System Deutschland beauftragt mit der Abholung kommunale und private Entsorgungsbetriebe. Foto: Der Grüne Punkt- Duales System Deutschland GmbH.

Aber da wäre ja noch das Bundeskartellamt, das eine allzu einseitige Marktbeherrschung verhindern soll. Wäre… Denn glaubt man einem Gutachten, das der WirtschaftsWoche nach Eigenangaben vorliegt, ist DSD nicht mehr wie in früheren Jahren marktbeherrschend. Nach Angaben des Vorsitzenden der DSD-Geschäftsführung, Michael Weiner, soll der aktuelle Marktanteil zwischen 38 und 40 Prozent liegen. Nimmt man die niedrigere Zahl, wäre das möglicherweise knapp unterhalb des Radars. Von Marktbeherrschung wird erst gesprochen, wenn ein Unternehmen einen Marktanteil von mindestens 40 Prozent hat. So steht es im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen- der Richtschnur der Kartellwächter.

Selbstredend spielt auch immer die Aussicht auf üppige Gewinne eine große Rolle. Beim Dualen System Deutschland wäre das ein schlagendes Argument. DSD erzielt jährliche Lizenzeinnahmen, die auf eine hohe dreistellige Millionensumme geschätzt werden. Da ist der Kaufpreis gut angelegt.

Zumal die Marktperspektiven mehr als günstig sind. DSD hat ein enormes Wachstumspotenzial. Die neue Verpackungsverordnung gibt höhere Recyclingquoten für Verkaufsverpackungen vor. Außerdem wird künftig strenger kontrolliert, ob Handel und Industrie die Lizenzgebühren an die Dualen Systeme entrichten. Allein die Verschärfung der vorher eher laxen Kontrollen könnte DSD erhebliche Mehreinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe bescheren.

Bereits 2019, so schätzt es die Londoner Investmentfirma Riverrock European Capital Partners LLP ein, könne DSD „zusätzliche 250 Mio. Euro Umsatz und ein Sparten-EBITDA von 15 bis 20 Prozent erreichen“. EBITDA ist der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Auch ein erneuter Börsengang, der frisches Geld in die Kassen spülen könnte, sei nicht auszuschließen.

„Wer DSD kontrolliert, hat alle Schlüssel in der Hand“, so der Kommentar eines Mittelständlers.

 

Verhandlungen abgebrochen: Für immer oder nur vorübergehend?

Nach Mitteilung des Branchendienstes EUWID sollen die Verhandlungen zwischen Remondis und den Mehrheitsgesellschafter des Dualen Systems Deutschlands beendet sein. Herwart Wilms, Geschäftsführer von Remondis Assets & Services, wird von EUWID mit der Erklärung zitiert: „…zum jetzigen Zeitpunkt liegen wir in unseren Vorstellungen zu weit auseinander“.

Aus der Formulierung „zum jetzigen Zeitpunkt“ lässt sich aber aus Sicht vom EM. DAS ENTSORGUNGSMAGAZIN folgern, dass die Verhandlungen wieder aufgenommen werden könnten, wenn sich die divergierenden Preisvorstellungen annähern. Es war bereits zu einem früheren Zeitpunkt berichtet worden, dass sich REMONDIS aus dem Bieterkreis zurückgezogen hat. Dieser Meldung zum Trotz wurden die Verhandlungen wiederaufgenommen.

Wie das Manager Magazin berichtet, verlangen verlangen die Mehrheitsgesellschafter, die Beteiligungsgesellschaften H.I.G. Capital und Bluebay, 215 Millionen Euro. Das entspricht laut Manager Magazin dem Zehnfachen des Jahresgewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Abida). Darunter machten es die Private-Equity-Firmen nicht.

„Eine ungewohnte Erfahrung für die Rethmänner. Erstmals haben sie es mit Kontrahenten zu tun, die ähnlich kompromisslose Verhandler sind wie sie selbst. Anfang Juni traf man sich in London und ging nach dem Kaffee frostig auseinander“, schreibt das Manager Magazin.

Letzte Meldung I: Nach zuverlässigen Angaben ist derzeit nur noch ein französischer Investmentfonds am Bieterverfahren beteiligt. Dieser Fonds habe sich aber noch nicht zum Kauf entschlossen. Dass weitere Interessenten beteiligt sind, hält ein Insider für eine “Ente”, die von interessierten Kreisen in die Welt gesetzt wurde.

Letzte Meldung II: Bei dem genanten Private-Equity-Fonds soll es sich um Antin Infrastructure Partners mit Sitz in Paris. London und Luxembourg handeln. An diesen Fonds wurde eine Anfrage gerichtet, die aber bis dato unbeantwortet blieb.

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