Unternehmen, NABU und Grüner Punkt: Steuerliche Begünstigung von Produktionsabfällen muss verhindert werden
Im Gegensatz zu Papier und Glas werde Kunststoff bisher immer noch zu einem deutlich geringeren Prozentsatz recycelt und danach zur Herstellung neuer Produkte genutzt. Dies beklagen der Grüne Punkt, das Unternehmen Werner & Mertz sowie der Verband NABU und fordern deshalb eine einheitliche Definition für Kunststoffrezyklate, bei der “Post-Consumer-Recyclate” (PCR) bei der Förderung klar bevorzugt werden.
Die geringe Recyclingquote sei vor allem darauf zurückzuführen, dass die Verwendung von Neuware viel günstiger ist als der Einsatz von Rezyklat, heißt es in einer Presseerklärung von Werner & Mertz, die von NABU und dem Grünen Punkt mitgetragen wird. Aufgrund der die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise habe sich dieser Kostenunterschied noch einmal verstärkt: Mit dem sinkenden Rohölpreis sind auch die Recyclingquoten rapide zurückgegangen. Laut einer aktuellen Umfrage des BDE fragen Verpackungshersteller 30 Prozent weniger Rezyklat nach.
Aus diesem Grund sei eine finanzielle Förderung von Verpackungen, die ganz oder teilweise aus Rezyklat hergestellt werden, unumgänglich, wird in der Presseerklärung ausgeführt. So schreibe es das seit 2019 geltende Verpackungsgesetz vor und das sei auch der Ansatz der ab 2021 geltenden von der EU beschlossenen sogenannten “Plastiksteuer” auf nicht recyceltes Plastik. Doch dabei sei eine Definition des Rezyklat-Begriffs entscheidend: Wenn gesetzliche Regelungen Mindestquoten für Rezyklatanteile in Verpackungen festsetzen oder der Einsatz von Rezyklaten finanziell privilegiert werden soll, muss entsprechend klar definiert sein, worauf sich die Regelungen beziehen, und zwar im zur Novellierung anstehenden Kreislaufwirtschaftsgesetz.
„Eine echte Kreislaufwirtschaft setzt voraus, dass Abfälle, die beim Endverbraucher anfallen, hochwertig recycelt und wieder in den Produktkreislauf zurückgeführt werden. Die Verwertung von Produktionsabfällen hingegen, sogenanntes ‚Post-Industrial-Recyclat‘, hilft nicht dabei, der Plastikvermüllung unseres Planeten entgegenzuwirken“, so der weitere Wortlaut der Presseerklärung.
Deshalb fordern Der Grüne Punkt, die Werner & Mertz GmbH (u.a. Marke Frosch) sowie der Naturschutzbund Deutschland (NABU), dass Produktionsabfälle hingegen „nicht als förderwürdiges Recyclat anerkannt werden und sollen auch nicht in die Berechnung zukünftiger Mindestquoten für Recyclatanteile in Verpackungen herangezogen werden“.
Denn wenn industrieller Kunststoffabfall ebenfalls als Rezyklat gilt, könnten sich viele Unternehmen für diesen einfacheren und billigeren Weg entscheiden, wie Reinhard Schneider, Geschäftsführender Gesellschafter der Werner & Mertz GmbH, betont.
“Als der Pionier der hochwertigen Verwendung von PCR aus dem Gelben Sack wissen wir, dass die von uns entwickelten marktfähigen Lösungen sich nicht weiter durchsetzen werden, wenn Industrieabfälle für den Umweltschutz fälschlicherweise als gleichwertig behandelt werden. Industrieabfälle lassen sich deutlich günstiger aufbereiten und sind letztlich die Folge ineffizienter Prozesse. Dies sollte der Staat nicht auch noch subventionieren. Die Verbraucher erwarten hier zu Recht nachhaltige Angebote und keine Tricks”, macht er deutlich.
Jörg-Andreas Krüger, Präsident des NABU, hebt die große Bedeutung des Recyclings für den Umweltschutz hervor: “Um Klima und Rohstoffe zu schützen, müssen wir unseren Verpackungsaufwand minimieren und die Kunststoffe in engen Kreisläufen führen. Dafür braucht es Hersteller, die auf recyclingfreundliches Design achten und Recyclingmaterial in hochwertigen Anwendungen einsetzen. Doch zu oft rechnen Unternehmen ihre Recyclingerfolge schön, indem sie lediglich ihre Produktionsreste verwerten. Sie lassen damit wahre Produktverantwortung vermissen. Damit mehr in das technisch herausfordernde Recycling von Abfällen aus dem Gelben Sack investiert wird, muss der Gesetzgeber die Verwertung dieser Abfallströme in besonderer Weise fördern und eine gesetzliche Definition für Kunststoffrezyklate einführen.”
Michael Wiener, CEO Der Grüne Punkt, geht sogar noch einen Schritt weiter und macht deutlich, dass die gesamte Kreislaufwirtschaft von der richtigen Definition abhängt: “Wir werden die Plastikkrise nur lösen, wenn Kunststoff kreislauffähig wird. Dazu müssen wir gerade an die Kunststoffabfälle heran, die beim Endverbraucher anfallen und bei denen das Recycling eine echte Herausforderung ist. Das Recycling von Produktionsabfällen braucht keine Förderung – das Recycling von Post-Consumer-Abfällen sehr wohl. Aus diesem Grund ist die Unterscheidung von grundlegender Bedeutung – und sie entscheidet über das Gelingen oder Scheitern der Kreislaufwirtschaft für Kunststoff.”
Alle drei sind sich einig, dass nur eine klare Definition des Rezyklatbegriffs die Kreislaufwirtschaft retten und damit Klima und Umwelt schützen wird. Der Herkunftsnachweis könnte über das RAL Gütezeichen “%-Recycling Kunststoff” erfolgen, das den prozentualen Anteil recycelter Kunststoffmaterialien aus dem Gelben Sack oder der Gelben Tonne in Produkten angibt. Die Wiederverwertung von Gewerbe- und Industrieabfällen wird in die Prozentangaben ausdrücklich nicht einbezogen, um gezielt Anreize für die Wiedernutzung von Plastikmaterialien aus Haushaltsabfällen zu schaffen.
Die Beteiligten machten deutlich, dass das Thema Circular Economy im kommenden Jahrzehnt eine, wenn nicht DIE zentrale Aufgabe in puncto Umweltpolitik sein werde. Bis 2025 müssten laut EU-Verpackungsrichtlinie 50 Prozent der Kunststoffverpackungen in der EU recycelt werden. Da zudem künftig Aufbereitungsverluste nicht mehr in die Berechnung der Recyclingquote einfließen dürften, bedeute das, dass sich die Recyclingmenge von Kunststoffverpackungen europaweit von aktuell etwa 4,6 Millionen Tonnen in den nächsten Jahren auf etwa acht Millionen Tonnen fast verdoppeln müsse. Es bedürfe „deshalb einer erheblichen Kraftanstrengung und klarer politischer Rahmenbedingungen, um Umwelt und Rohstoffe durch das richtige Kunststoffrecycling zu schützen“.
Sch/rd
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