Gute Arbeit, weniger Geld: Die Erfahrungen der REMONDIS-Beschäftigten in Schleswig

Gute Arbeit, weniger Geld: Die Erfahrungen der REMONDIS-Beschäftigten in Schleswig

Gute Arbeit, weniger Geld: Die Erfahrungen der REMONDIS-Beschäftigten in Schleswig 150 150 Klaus Henning Glitza

Mitarbeiter-Kommentar: „Zum Lachen reicht es nicht mehr, dafür war alles viel zu traurig“

 

Faire Bezahlung?  Über dieses Schlagwort können etliche REMONDIS-Beschäftigten in Schleswig nur müde lächeln. „Zum Lachen reicht es nicht mehr, dafür war alles viel zu traurig“, sagt einer der Mitarbeiter.

Was ist geschehen? Was hat diesen Mann dermaßen deprimiert? Das Geschehen liegt zwar einige Jahre zurück, aber es ist in der Erinnerung noch so präsent, als wäre es erst gestern passiert. Örtliche und überregionale Medien berichteten unter Überschriften wie „Harte Bandagen im Müllgeschäft“ (Schleswiger Zeitung). Und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di widmete dem Vorgang einen eigenen Beitrag-  in der Rubrik „Schmuddelecke“.

Die Story ist schnell erzählt. Man schreibt das Jahr 2007. REMONDIS Schleswig war ertragsmäßig nicht gerade das Paradepferd des Konzerns.  Das lag in keinem Fall an den Beschäftigten. Die machten bei Wind und Wetter ihre Arbeit, wie es sein soll.  Eher schien das Management, wie es von einem Insider vorsichtig formuliert wird, „etwas überfordert“.

Am Anfang stand ein neuer Abfallentsorgungsauftrag, den der Landkreis Schleswig-Flensburg 2007 ausgeschrieben hatte. Schleswig ist bekanntermaßen die Kreisstadt dieses Landkreises. Doch ausgerechnet die dort ansässige REMONDIS-Niederlassung nahm zum großen Verwundern der Belegschaft erst gar nicht an der Ausschreibung teil. Stattdessen reichte ein REMONDIS-Unternehmen mit Sitz in Melsdorf bei Kiel, mehr als 50 Kilometer von Schleswig entfernt, die Submissionsunterlagen ein- und gewann.

Sechs Prozent mehr Lohn und ein Wegfall der untersten Lohnstufe, die knapp den Mindestlohn übersteigt, das sind unter anderem die ver.di-Forderungen. Foto: Uwe Schlick/pixelio.de

Die „Billigtochter“ (ver.di), die kein BDE-Mitglied war, hatte ungewöhnlich „günstig“ angeboten. So günstig, weil sie zu diesem Preis selbst gar nicht selbst tätig werden wollte? Wie auch immer: Jedenfalls wurde die Dienstleistung konzernintern den Schleswigern angeboten. Vorausgesetzt, sie würden sich als „Sub“ auf demselben Preisniveau wie die Melsdorfer bewegen. Im Klartext bedeutete das aber, sie mussten um 650.000 Euro günstiger arbeiten, als es der Rentabilität beziehungsweise der schwarzen Null zuträglich war.

Doch das konnte nur funktionieren, wenn die Beschäftigten nicht nur ihre Knochen für den Billigdeal hinhalten, sondern auch noch ihre Geldbörse. Das REMONDIS-Rezept: Die Schleswiger sollten für drei Jahre 42 Stunden statt 38 Stunden die Woche arbeiten, selbstredend für das gleiche Geld., und sich mit einem reduzierten Weihnachtsgeld von 500 Euro (vor ein voller Monatslohnt) begnügen. Das entsprach einem Lohnverzicht von gut 20 Prozent. Viel Geld für Beschäftigte, die mit durchschnittlich 2100 bis 2300 Euro brutto nicht zu den Spitzenverdienern im Land gehören. Im Gegenzug bot REMONDIS nach zähen Verhandlungen mit dem örtlichen Betriebsrat und der ver.di eine Beschäftigungsgarantie an und war „generös“ bereit, 250.000 Euro der 650.000 Euro-Lücke selbst zu übernehmen.

Viele der Schleswiger schluckten, als sie mit diesem Angebot konfrontiert wurden. Doch: „Wir hatten keine Wahl“, berichten betroffene Beschäftigte. Schleswig ist nicht eben das, was man eine Boom-City nennt. Kaum nennenswerte Industriebetriebe, ein bisschen Küstenfischerei und weit und breit keine alternativen Arbeitsplätze. Viele der Arbeitnehmer waren außerdem jenseits der 50. Ein kritisches Alter, wenn man neu anfangen müsse.  „Arbeitslosengeld und Hartz IV nein danke, dann lieber für weniger Geld nach wie vor einen festen Job haben“, so ist es aus der Stadt an der Schlei zu hören.

„Ich bin mir sicher, das wussten unsere Oberen“, so ein Mitarbeiter. Aus „nackter Not“, wie es hieß, stimmten die Beschäftigten schließlich zu. Und auch die Gewerkschaft setzte sich mit ins Boot. „ver.dis Kalkül, als sie diesem Vertrag zustimmte: Die Geschäftsführung sollte die Zeit nutzen und die Kurve kriegen – sprich: bessere Verträge an Land ziehen, den Transport besser koordinieren, eine bessere Zusammenarbeit mit Sylt organisieren. Kurz: Besser wirtschaften“, heißt es in der ver.di-Mitteilung unter der Überschrift „Gute Arbeit – schlechtes Geld: Neues aus der Schmuddelecke“.

Doch als die dreijährige Frist vorbei war, konnte von „besser wirtschaften“ keine Rede sein. Stattdessen verlangte REMONDIS von den Schleswigern erneute Zugeständnisse. Motto: Mehr Arbeit ohne finanziellen Ausgleich.  Argument: Inzwischen war das Preisniveau kräftig gesunken. Doch das war eine Entwicklung, an der die Billigtochter aus Meisdorf keineswegs unbeteiligt war- ganz im Gegenteil.

„Aufsplittern, Beschäftigte erpressen, Löhne senken – das scheint die Strategie von Remondis zu sein, einem der Großen in der Abfallbranche in Deutschland“, wird in der zitierten ver.di-Mitteilung bilanziert. Und es ist von „zweifelhaften Machenschaften […}  um das Lohniveau zu senken“, die Rede.

Kein Verständnis hat REMONDIS-Sprecher Michael Schneider für diese Kritik. Wie er gegenüber der Schleswiger Zeitung erklärte, sei es nicht nachvollziehbar, dass ver.di ausgerechnet das Unternehmen angreife, „dass sich in enger Übereinstimmung mit Betriebsräten und Gewerkschaftsvertretern für den Mindestlohn, für fairen Wettbewerb und damit für den Erhalt von Arbeitsplätzen einsetzt“. Hätte das Unternehmen die geschilderten Maßnahmen nicht ergriffen. wäre der Bestand der Niederlassung in Schleswig ernsthaft gefährdet gewesen.

Lohnkürzung statt Entlassung. Da blieb für die Beschäftigten wenig Spielraum.

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