Interview mit dem Präsidenten des Verbandes Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VÖEB), Kommerzialrat Hans Roth
Kommerzialrat Hans Roth, Präsident des Verbandes Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VÖEB), ist ein Mann, der alle Facetten des Entsorgungswesens kennt. Aus eher bescheidenen Anfängen, anfangs nur eine Halle, baute er zusammen mit seiner Ehefrau ein Unternehmen auf, das heute weit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.
Wo steht die österreichische Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft, wo will sie hin? Und: Welche Sorgen hat sie? Über diese und andere Fragen sprach EM mit Hans Roth.
EM: Herr Roth, die immer mehr zunehmenden Abfallmengen und ihre fachgerechte Entsorgung gehören -objektiv betrachtet- zu den großen Themen unserer Zeit. Trotzdem spielen diese wichtigen Fragen in weiten Teilen der Politik und auch im öffentlichen Bewusstsein ein Mauerblümchen-Dasein. Ändert sich das aus Ihrer Sicht allmählich?

Nur eine kleine Auswahl von Produkten, in denen Lithium-Ionen-Batterien verbaut sind. Für die Verbraucher zweifellos ein Fortschritt und ein Komfortgewinn, aber für die Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft oft genug ein Problem. Immer wieder kommt es zu Bränden, Foto; pixabay_Pexels GmbH
KR Hans Roth: Ja, mit dem Green Deal setzt die EU ein klares Zeichen. Und auch in Österreich – Stichwort Klimaneutralität 2040 oder ökosoziales Steuersystem – tut sich sehr viel. Es muss auch viel getan werden, gerade wenn es um das Recycling geht. Hier ist einer der großen Hebel zu CO2-Reduktion und Schaffung wirtschaftlicher Impulse.
Schließlich entsorgt die Abfallwirtschaft ja nicht nur Hausmüll und Gewerbeabfälle. sondern auch Stoffe, die eine massive Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. Ich erwähne hier nur beispielhaft Lithium-Ionen-Batterien, Asbest und mineralische Baustoffe.
EM: Die Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft sollte ja auch nicht isoliert betrachtet werden. Es gibt weitere wirtschaftliche Strukturen, die mit ihr unmittelbar zusammenhängen und an Bedeutung zunehmen.
KR Hans Roth: Da stimme ich zu. Als Beispiel möchte ich die Umweltindustrie nennen. Österreich hat eine starke Industrie dieser Art mit teilweiser Technologieführerschaft, zum Beispiel bei Zerkleinerungs-Sortiermaschinen. Das ist ein Industriezweig, der in Zukunft noch wichtiger werden wird als heute schon. Ist die Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft stark, wird auch dieser exportstarke Wirtschaftsbereich weiterwachsen.
EM: Sie und Ihre Ehefrau haben sich persönlich in örtlichen Kampagnen für eine saubere Mülltrennung eingesetzt. Weshalb ist die ordnungsgemäße Trennung der Abfallfraktionen aus Ihrer Sicht so wichtig?
KR Hans Roth: Eine sortenreine Mülltrennung vor Ort, also beim Verbraucher, ist die wirtschaftlichste, kostengünstigste und ökologischste Lösung für das Recycling. Die nachträgliche Trennung in den Sortieranlagen ist schwierig, teuer und in vielen Fällen auch wegen der vielen unterschiedlichen Materialien gar nicht möglich.
Leider landen derzeit noch immer durchschnittlich bis zu 70 Prozent Fehlwürfe in der Restmülltonne. Rund 40 Prozent davon sind Wertstoffe wie Kunststoff, Papier, Glas oder Alu. Einmal in der grauen Tonne entsorgt, sind sie für das Recycling für immer verloren. Im Biomüll wird häufig immer noch Kunststoff – das „Müllsackerl“ mitentsorgt. Auch hier kann man dann nicht recyceln.
Hinzu kommen neue gefährliche Abfälle, wie bereits erwähnt, von denen sehr viele fälschlicherweise im Restmüll landen.
EM: Schon bei Ihrer Wahl als Präsident haben Sie für ein Miteinander von privatwirtschaftlichen und kommunalen Entsorgungsbetrieben plädiert, um der gemeinsamen umweltpolitischen Verantwortung gerecht zu werden. Hat das am stellenweise zu beobachtenden Gegeneinander etwas ändern können?
KR Hans Roth: Leider nicht in dem Ausmaß, wie ich es mir erwünscht hätte. Wohlgemerkt: Ich bin nicht unzufrieden, wünsche mir aber noch mehr Miteinander. Natürlich gibt und gab es Reibungen – wie überall, das ist ganz normal und manchmal auch gut. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir die vielen Herausforderungen im Bereich Klima- und Umweltschutz nur gemeinsam stemmen können. Wir sollen hier einfach zusammenarbeiten, es geht doch letztlich um unser aller Wohl und eine lebenswerte Zukunft für unser Enkel und Urenkel. Ohne Kooperation und Konsens können die umwelt- und klimaschutzpolitischen Ziele nicht leicht erreicht werden. Es sollte ein optimaleres Miteinander geben.
Dass sich das für alle Seiten lohnt, macht folgendes Beispiel deutlich: Wir sind Partner bei rund 20 PPPs im In- und Ausland und in allen Projekten arbeiten wir gemeinschaftlich für mehr Bürgerservice und besseren Umweltschutz. Die Zahlen geben uns recht: steigende Mitarbeiterzahlen, steigende Verwertungsquoten.
EM: Sie kritisieren auch die zum Teil sehr kurze Laufzeit von Verträge die Lizenznehmer.
KR Hans Roth; Ja. Bei Drei-Jahres-Verträgen können die Anlagen der Zukunft nicht finanziert werden. Da bedarf es schon Zehn-Jahres-Verträge, wobei sich Marktbedingungen ändern – Stichwort Rohstoffpreise – natürlich berücksichtigt werden müssen.
EM: Sie treten auch für ein stärkeres Miteinander mit der Industrie ein.
KR Hans Roth: Auf jeden Fall. Wir müssen für das Recycling auch noch viel stärker mit der Industrie zusammenarbeiten. In so komplexen, schnelllebigen Zeiten ist Kooperation der Schlüssel zum Erfolg. Und viele sind der gleichen Meinung.

Lithium-Ionen-Batterien treten in unzähligen Formen in Erscheinung. Foto: M. Seyfert
EM: Die rund 200 österreichischen privatwirtschaftlichen Entsorgungsunternehmen investieren -ebenso wie ihre deutschen Pendants- viele Millionen in ihre zirka 1.100 High-Tech-Anlagen. Das erfordert Planungssicherheit und adäquate Rahmenbedingungen. Sind diese in ausreichendem Maße gegeben?
KR Hans Roth: Ich wünsche mir mehr Sicherheit und vor allem eine Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren. Die Anlagentechnologie wird immer komplexer. Oft genug kommt der Staat mit den Genehmigungsverfahren nicht mehr hinterher. Das ist vor allem ein organisatorisches, ein Kapazitätsproblem: Es fehlt an Personal und deshalb besteht akuter Nachholbedarf. Dabei liegt es doch auch im Interesse des Staates, dass die neuen Anlagen termingerecht in Betrieb gehen. Je früher das passiert, desto mehr bringt es auch für den Staat und die Allgemeinheit, natürlich unter Berücksichtigung korrekter und gut vorbereiteter Unterlagen für die Verfahren der Ansuchenden. Zudem besteht eine Abhängigkeit von Sachverständigen. Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert seitens der Behörden ein Koordinationsmanagement überall einzusetzen.
EM: Recyclinganlagen rufen häufig Widerstände in der benachbarten Bevölkerung hervor. Wie steht es damit in Österreich?
KR Hans Roth: Recyclinganlagen will praktisch keiner als Nachbar haben. Das merken auch wir in Österreich, obgleich wir hier höchste Umweltstandards haben. Die Auflagen werden immer strenger und umfangreicher. Hier brauchen wir Unterstützung, auch bei der Aufklärung, und letztlich auch mehr Solidarität seitens der Politik. Aber auch wir müssen unsere Bemühungen um die bestehenden oder zukünftigen Anrainer verstärken.
EM: Der technische Fortschritt bedeutet zweifellos einen Gewinn an Lebensqualität. Doch er generiert auch neue Entsorgungsprobleme und massive Gefahren. Ein Beispiel sind die Lithium-Ionen-Batterien, kurz Li-Ion.
KR Hans Roth: Bei diesem Thema fühlen wir uns ziemlich alleingelassen. Die Li-Ion sind, vor allem wenn sie beschädigt sind, brandgefährlich. Die Entsorgungsbranche verzeichnete beinahe wöchentlich einen Brand in Österreich. Es fehlt an der Aufklärung der Verbraucher und einer wirksamen Kennzeichnung der Batterien „Nicht in den Restmüll werfen“ zum Beispiel in einheitlichen Rot. Oder auch kompakter gefertigt werden, damit sie nicht gleich bei ersten Belastungen explodieren. Der VOEB fordert außerdem eine Erhöhung Sammelquote auf 75 Prozent.
Zurzeit bleibt das Problem allein an den Entsorgungs- und Recyclingbetrieben und den dort Beschäftigten hängen. Mit viel Geld wird in unseren Anlagen der Brandschutz verbessert. Diese Kosten gibt uns niemand wieder. Das kann so nicht auf Dauer weitergehen.
EM: Wie könnte man diese unzumutbare Gefahrenlage schnell in den Griff bekommen?
KR Hans Roth: Indem man richtig Müll trennt, das heißt die LI-Ion-Batterien entweder im Fachhandel zurückgibt oder sie ins Altstoffsammelzentrum (ASZ) bringt. Zu dieser verantwortungsvollen Art der Entsorgung rufe ich nochmals auf. Aus meiner Sicht müssten auch die Hersteller und Inverkehrbringer stärker diese Verantwortung wahrnehmen. Jeden Tag sehe ich momentan noch Prospekte mit tollen Geräten betrieben von Lithium-Batterien. Dabei steht aber kein Hinweis für die Entsorgung beziehungsweise Abgabe der Batterien bei einer Sammelstelle. Grundsätzlich sind alle Elektrohändler mit Entsorgungsbehälter ausgestattet. Die Rücknahme ist in Österreich gratis. Das wäre zum Beispiel das einfachste und auch das billigste. Die Problemlösung darf nicht allein auf die Entsorgungs- und Recyclingbetriebe abgewälzt werden.
EM: Herr Kommerzialrat Roth, herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Klaus Henning Glitza
Zur Person

Verbandspräsident und erfolgreicher Unternehmer: Hans Roth. Foto: Saubermacher/Michael Königshofer für moodley brand identity
Hans Roth, Jahrgang 1946, ist mit seiner Familie Haupteigentümer der Saubermacher Dienstleistungs AG in Feldkirchen bei Graz und seit Februar 2012 deren Aufsichtsratsvorsitzender.
Seine Karriere begann er mit einer soliden Lehre. Nach der Ausbildung als Einzelhandelskaufmann trat er in das elterliche Unternehmen ein und war am Aufbau der Roth Handels- und Bauhandwerks GmbH, der Interro Handels GmbH sowie der Roth Heizöle GmbH (heute teilweise Bestandteile der Roth Familienunternehmen) beteiligt.
1979 gründete er zusammen mit seiner Ehefrau Margret die Saubermacher Dienstleistungs AG. Das Unternehmen beschäftigt heute 3.350 Mitarbeiter in sieben Ländern und sammelt und verwertet 3,5 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr.
Im Mai 2014 wurde Hans Roth wiederum als Präsident des Verbandes Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VÖEB) gewählt. Ein Verband, zu, zu dessen Gründervätern er gehörte (schon 1991 war er für sechs Jahre Präsident des Verbandes). Das war nicht das erste Engagement für die Entwicklung der Abfallwirtschaft in Österreich. Als Obmann der Fachgruppe für Abfall- und Abwasserwirtschaft der Wirtschaftskammer Steiermark setzte sich Hans Roth zwischen 1999 und 2009 für die Branche ein.
Hans und Margret Roth haben nach Eigenangaben den Umweltdienstleister mit dem Anspruch gegründet, „jeden Tag einen Beitrag für eine lebenswerte Umwelt zu leisten“. Das dies mehr als ein nettes Wort ist, belegt, dass Saubermacher laut GRESB-Bewertung zum nachhaltigsten Entsorgungsunternehmen weltweit erklärt wurde.
Für seine Verdienste um die österreichische Wirtschaft wurde Hans Roth mit dem Titel Kommerzialrat (KR) geehrt. Weitere Auszeichnungen unter anderem Unternehmer des Jahres 1999, Umweltmanager des Jahres 1999, Österreicher des Jahres 2009, Entrepreneur des Jahres für Österreich 2009. Umwelttechnologiepreis Daphne in Platin (Sonderpreis für Lebenswerk) 2015, Großes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich 2017 und Großes Goldenes Ehrenzeichen des Landes Steiermark 2019.
khg
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