Ein täglicher Wahnsinn: 15 Minuten Lebensdauer- danach sind die Coffee-to-go-Becher Müll

Ein täglicher Wahnsinn: 15 Minuten Lebensdauer- danach sind die Coffee-to-go-Becher Müll

Ein täglicher Wahnsinn: 15 Minuten Lebensdauer- danach sind die Coffee-to-go-Becher Müll 150 150 Klaus Henning Glitza

320.000 Einweg-Trinkgefäße werden stündlich über die Theken gereicht / Rohstoffverschwendung und Umweltbelastung sind der Preis für den Kaffee zum Mitnehmen

 

Es ist ein täglicher Wahnsinn. Nach ein paar Schlucken Kaffee hat der Coffee-to-go-Becher ausgedient. Die durchschnittliche Lebensdauer der gefüllten Trinkgefäße beträgt gerade einmal 15 Minuten. Ist der Becher ausgetrunken, ist er nichts weiter als Müll. Müll, der die Umwelt verschandelt und belastet, weil er größtenteils nicht recycelt werden kann.

Ein fast schon gewohnter Anblick: Überquellende Einwegbecher in den Abfallbehältern. Besonders gefürchtet: die XXL-Wegwerfgefäße. Wenige dieser „Jumbos“ genügen- und der Papierkorb ist voll. Foto: Andreas Kinski/pixelio.de

 Der vermeintliche Luxus des Kaffees zum Mitnehmen hat eine hässliche Schattenseite, wie sie schlimmer kaum sein kann. Die Zahlen sprechen für sich:  Sage und schreibe 320.000 Coffee-to-go-Becher werden in Deutschland stündlich (!). über die diversen Theken gereicht. Allein in Berlin werden pro Stunde 20.000 Einwegbecher verbraucht, teilt Dorothee Winden, stellvertretende Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz mit. Das Ziel müsse sein, die Zahl der Einwegbecher zu verringern, denn sie „verschwenden Ressourcen und erzeugen viel Müll“. Dorothee Winden: „Daher werden wir am 14. Juli gemeinsam mit Berliner Wirtschafts- und Umweltverbänden eine breit getragene Initiative zur verstärkten Nutzung von Mehrwegbechern starten.“

Coffee to go wird zunehmend zum Entsorgungs- und Umweltproblem. Nicht nur, dass die öffentlichen Abfallbehälter vor Bechern überquellen. Viele Trinkgefäße finden erst gar nicht den Weg in die Abfallkörbe und verschandeln als wilder Müll Städte und Natur.  Es gibt kaum eine City zu finden, in der es nicht vor leeren Bechern wimmelt.  Selbst an Straßenrändern ländlicher Bereichen sind Massen von „entsorgten“ Einmalgefäßen zu finden.

 „Einwegbecher sind längst zu einem Problemfall für die Papierkörbe in der hannoverschen City geworden“, sagt Mathias Quast, Abteilungsleiter Stadtreinigung bei aha. „Sie können die Massen an weggeworfenen Bechern nicht mehr fassen oder werden durch übergroße XXL-Becher hoffnungslos verstopft. Landen die Becher erst einmal auf der Straße, müssen sie von der Straßenreinigung, häufig mehrmals täglich, entfernt werden.“

„Heute machen die to-go-Verpackungen rund 50 Prozent des Abfalls aus“, erläutert Helene Herich, Pressesprecherin des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Hannover (aha). 30 Prozent des anfallenden Mülls in der Stadt werden achtlos weggeworfen. Sechs bis 17 Prozent sind ausschließlich Einweg-Becher.

Auch ein Entsorger macht gegenüber EM. DAS ENTSORGUNGSMAGAZIN seinem Ärger Luft. „Es war schon vorher katastrophal mit den Abfallbehältern. Selbst wenn sie täglich geleert wurden, lag jede Menge daneben oder in der Umgebung. Aber seit der Coffee-to-go-Welle wird das alles noch im negativen Sinne getoppt. Da kommt man kaum noch gegen an. So macht die Arbeit echt keinen Spaß mehr. Wer räumt schon gerne vorne Abfälle weg, während sich hinten wieder neue auftürmen.“

Misslich: Ein Recycling der Gefäße zum Wegwerfen ist in vielen Fällen gar nicht möglich. Die meisten Coffee-to-go-Becher bestehen aus Pappe, die mit Kunststoff beschichtet ist. Ein so genannter Verbundstoff, der mit vernünftigem Aufwand nicht wiederverwertet werden kann. So bleibt nur die so genannte thermische Behandlung in den Müllverbrennungsanlagen Aus Sicht des Umweltschutzes ist das eine äußerst miserable Bilanz. Und: Kreislaufwirtschaft, das Gebot der Stunde, sieht ganz anders aus.

„Grüne Karte für Umweltgenießer“: In den Filialen der Feinbäckerei Ruch werden – wie inzwischen in vielen anderen Backbetrieben auch- die Mehrwegbecher aktiv beworben. Foto: K H Glitza

Ebenso kritisch: Schon bei der Produktion der Becher wird Raubbau betrieben. Um nur einen einzigen Becher herzustellen, wird gut ein halber Liter Wasser verbraucht. Das ist mehr als in das Trinkgefäß an Kaffee hineinpasst. Bei der Fabrikation werden pro Becher 110 Gramm Kohlendioxid (CO2) freigesetzt.  Das klingt nicht nach viel, summiert sich im Jahr aber bei einem durchschnittlichen Unterwegs-Kaffeetrinker auf stattliche 40 Kilogramm.

Für die Produktion der Standardbecher muss auf immer knapper werdende Rohstoffe zurückgegriffen werden: Erdöl für Kunststoffe. Holz für Pappe.  Für einen Becher, der kaum länger als 15 Minuten „lebt“, muss weltweit eine Unmenge von Bäumen gefällt werden. Material, das aus dem Recycling stammt, wird meistens für die Becherproduktion nicht verwendet. Aus hygienischen Gründen, wie es heißt.

Dieser Wahnsinn hat eine Reihe dankenswerter Initiativen auf den Plan gerufen. Umweltverbände, aber auch Privatpersonen fordern das Ende einer Müllquelle, die die vielgeschmähten Plastiktüten mengenmäßig längst überholt hat. Und natürlich die Weltmeere nicht minder verschmutzt und verseucht. Erste Erfolge: Diverse Großunternehmen wie der Kaffeeriese Starbucks und selbst der Einwegbecher-König McDonald´s bewerben aktiv Mehrwegbecher. Kleinere Coffee-to-go-Shops und Bäckereiketten zogen nach. Es werden Anreize zum Umstieg geschaffen: Wer einen eigenen Becher mitbringt oder ein Mehrweg-Trinkgefäß kauft, erhält einen Preisnachlass auf den eingefüllten Kaffee zwischen 10 und 30 Cent.

Melanie Zimmer, Bäckereifachverkäuferin aus der Ruch-Filiale in Hasede bei Hildesheim, präsentiert einen der Mehrwegbecher. Wer sich für das wiederverwendbare Trinkgefäß entscheidet, spart immerhin zehn Cent pro Coffee to go. Foto; K H Glitza

Ein Beispiel ist die niedersächsische Feinbäckerei Ruch. In ihren Filialen werden seit dem 26. Mai dieses Jahres Mehrwegbecher angeboten. „Auch eigene Becher kann der Kunde mitbringen“, erläutert Teamleiterin Gabriele Bäker. Der Preisnachlass: Zehn Cent. Die negativen Berichte über das Abfallproblem hatten die Bäckereikette bewogen, ihr Coffee-to-go-Konzept zu ändern, so die leitende Mitarbeiterin.

 Einige Städte wie München gingen mit gutem Beispiel voran und verbannten die Wegwerfbecher aus ihren Kantinen Gleichzeitig wurden in mehreren Städten Kampagnen gestartet, um auch im öffentlichen Raum den Wegwerfbechern Einhalt zu gebieten. Freiburg war die erste Kommune, in der ein Mehrwegsystem eingeführt wurde.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will mehr als das. Sie fordert Umweltministerin Barbara Hendricks auf, bundesweit ein verbindliches Mehrwegsystem für die Coffee-to-go-Becher einzuführen. Was bei Mineralwässern und Bierdosen funktioniert, müsste doch auch bei diesen Trinkgefäßen möglich sein, so die Argumentation. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, wurde unter dem Motto „Frau Ministerin Hendricks: Machen Sie endlich Ihren Job!“ eine Petition gestartet.

Nähere Informationen:

https://www.duh.de/projekte/e-mail-aktion-fuer-muellvermeidung/?gclid=CIba6rzG8tQCFXEo0wodoWgF7w

https://www.change.org/p/umweltministerin-barbara-hendricks-schluss-mit-der-becher-verm%C3%BCllung-mehrwegsystem-f%C3%BCr-coffee-to-go-becher-einf%C3%BChren

Eine Bilanz dieser Petitionsaktion zieht Thomas Fischer von der DUH im Interview mit EM. DAS ENTSORGUNGSMAGAZIN.

Siehe Beitrag: „Die Nase voll von herumliegenden Pappbechern und der unnötigen Vergeudung von Ressourcen“

 

 

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