Der FES-REMONDIS-Anteil wird europaweit ausgeschrieben- Hintergründe eines Coups
Der privatwirtschaftliche Anteil der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) wird europaweit neu ausgeschrieben. Diese Nachricht, mit der jüngst die Stadt Frankfurt am Main aufwartete, klingt vordergründig gut. Optimisten könnten jetzt davon träumen, dass der Wettbewerb neuen Auftrieb erhält. Davon will die Frankfurter Neue Presse (FNP) nichts wissen. Die Stadt, schrieb die Zeitung, habe „tief in die Trickkiste“ gegriffen. Kritiker werden noch deutlicher und bezeichnen die Entscheidung von Frankfurt als durchsichtigen Coup, um die EU-Wettbewerbswächter ruhig zu stellen.
Branchenkenner haben es sofort erkannt: Es geht um die 49 Prozent, die REMONDIS seit Anfang 1998 an diesem Unternehmen hält. Die restlichen 51 Prozent liegen bekanntermaßen bei der Stadt Frankfurt am Main. Mit der hauchdünnen Mehrheit sichert sich die Mainmetropole zwar die Kontrolle und das letzte Wort, hat aber mit dem operativen Geschäft so gut wie gar nichts zu tun. „Kein Thema, solange die Gewinnbeteiligung üppig ausfällt“, so ein Frankfurter. Außerdem bewies die Stadt vor 1998, als die Entsorgung noch hundertprozentige Sache der Kommune war, kein allzu glückliches Händchen. Nicht umsonst sei ein privater Partner gesucht worden.
Auslöser des Coups von Frankfurt war die Europäische Union, die sich den freien und ungehinderten Wettbewerb auf das Banner mit den zwölf goldenen Sternen geschrieben hat. In Brüssel war übel aufgestoßen, dass es einen Wettbewerb im marktwirtschaftlichen in „Mainhatten“ gar nicht gibt. Die Verträge mit der FES wurden seitens der Stadt bislang einfach verlängert. Ohne Ausschreibung und Beteiligung anderer Markteilnehmer. Und auch ohne Chance, günstigere Anbieter zu finden.
Eine bequeme Lösung, die nach dem Willen der Stadtväter auch weiterhin beibehalten werden soll. Einerseits verständlich, denn Ausschreibungen alle paar Jahre wieder bringen erheblichen Aufwand mit sich. Und nicht immer ist der europaweit günstige Anbieter auch der beste. Fest steht: Die Qualität der FES-Dienstleistungen steht außer Frage. Nach Umfragen sind nur neun Prozent der Frankfurter unzufrieden. Ein billiger Jakob ist die FES allerdings nicht, wie unlängst der Landesrechnungshof kritisierte.
Vertragsverlängerungen ohne Ausschreibung- für Frankfurt ist das eine Superlösung. Doch die EU sah es anders: So ein „freihändiges“ Verfahren sei nur rechtens, wenn die FES ein rein kommunales Unternehmen wäre, wurde bereits 2015 moniert. Ergo: Europaweit ausschreiben oder rekommunalisieren, so die die Forderung aus Brüssel.
Im Rathaus rauchten daraufhin die Köpfe. Schnell wurde klar, ein reines Kommunalunternehmen war von der Stadtpolitik mehrheitlich nicht gewollt. Der Kaufpreis wäre -wie sich angesichts der Finanzsituation fast aller Kommunen denken lässt- durch einen Griff in das Stadtsäckel nicht darstellbar. In der Niedrigzinsphase könnte die „Ablösesumme“ zwar theoretisch finanziert werden, doch das hieße: weitere Verschuldung. Außerdem dürfte ein kommunales Konstrukt gegenüber der jetzigen öffentlich–privaten Unternehmensform (ÖPP oder PPP keine Gewinne machen. Hinzu kommt: Rund 60 Prozent der FES-Umsätze stammen aus Fremdaufträgen- das wäre für ein Kommunalunternehmen schwierig zu realisieren.
Der heutige Weg ist einfach komfortabler. Jahr für Jahr sprudelt Geld in die Stadtkasse. Zwischen 1998 und 2016 waren es insgesamt 136,6 Millionen Euro. „Dafür muss ein Kämmerer lange stricken“, witzelt ein Ratsherr. Annähernd die gleiche Summe landete entsprechend des Beteiligungsgrades bei REMONDIS. Win-Win am Main? Die LINKEN-Fraktionschefin Dominike Pauli spricht allerdings von einer „Lizenz zum Gelddrucken“.
Mütter und Väter des Coups von Frankfurt sind neben städtischen Juristen vor allem Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne) und Stadtkämmerer Uwe Becker (CDU). Beide bezeichnen die FES als Erfolgsmodell. Ihre Parteien, die Grünen und die CDU, sind die maßgeblichen Kräfte im Römer. Die SPD gehört zwar auch zur Rathaus-Koalition, ist aber eher als Juniorpartner zu sehen,
Es fragt sich: Was könnte bei der europaweiten Ausschreibung passieren. Wer sollte außer REMONDIS den 49-Prozent-Anteil kaufen? Ist nicht alles Augenwischerei, weil kaum ein anderer Konzern in Frage kommt?
Beim Verkauf im Jahr 2017 hatten noch einige deutsche Entsorgungsunternehmen, aber vor allem ausländische Konzerne mitgeboten. Einige davon waren auch wegen der Kaufpreisvorstellung abgesprungen. Das wäre beim aktuellen Deal noch dramatischer. Denn nach Insiderangaben dürfte der Kaufpreis inzwischen annähernd im dreistelligen Bereich liegen. Eine solche Summe könnten die beiden französischen Konzerne und die Tochter der Schwarz-Gruppe PreZero wuppen und vielleicht noch eine Bietergemeinschaft von Mittelständlern. Allerdings ist die große Frage, ob sie das wollen.
So ist abschließend festzustellen, die besten Chancen auf den Erwerb der FES-REMONDIS-Anteile hat REMONDIS selbst. Ein Hornberger Schießen in Frankfurt am Main.
Gut ist die Nachricht allerdings für die rund 1.800 Beschäftigten. Ihre Arbeitsplätze werden durch den Coup von Frankfurt gesichert. Denn egal wie es kommt, die FES bleibt bestehen. Das war vorher nicht so sicher.
khg
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