ENGIE stimmt Verkauf zu- doch mit einer Auflage, die es in sich hat
Ein erster Etappensieg in der Übernahmeschlacht VEOLIA-SUEZ. Der Verwaltungsrat des französischen Energieversorgers ENGIE hat dem Verkauf seines 29,9-Prozent-SUEZ-Anteils an den Konkurrenten VEOLIA grundsätzlich zugestimmt. Doch fix ist noch nix, wie man in Österreich sagt.
Denn einstimmig war die Verwaltungsentscheidung keineswegs. Mit Non votierten jene Verwaltungsratsmitglieder, die den französischen Staat (an ENGIE mit 23,6 Prozent beteiligt) vertreten. “In Ermangelung einer gütlichen Einigung zwischen den beiden Unternehmen Veolia und Suez“, so die Begründung, stimmten sie geschlossen gegen den Aktienverkauf.
Auf der Zielgeraden, wie vereinzelt Medien mutmaßten, ist VEOLIA noch lange nicht. Zwar freute sich VEOLIA-CEO Antoine Frérot bereits über die Grundsteinlegung für einen „Welt-Champion der ökologischen Transformation“. Doch für den weiteren „Baufortschritt“ gilt es eine Auflage zu erfüllen, die es in sich hat. Denn Bedingung für den ENGIE-Deal ist, dass VEOLIA die Übernahme des restlichen 70,1 Prozent der Aktien nicht auf dem Wege eines feindlichen Übernahmeangebotes realisieren darf.
Unter feindlich ist in diesem Zusammenhang bekanntermaßen zu verstehen, dass sich ein an der Übernahme interessiertes Unternehmen direkt an die Aktionäre wendet. Und dies speziell gegen den erklärten Willen des Übernahmekandidaten, oder an diesem vorbei. Mit anderen Worten: Diese weltweit gängige „Bypass-Lösung“ ist für VEOLIA perdu, die Unternehmensgruppe muss direkt mit SUEZ verhandeln. Sprich ein Einvernehmen mit einem Konzern suchen, der sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt, von dem größeren Rivalen geschluckt zu werden.
Dass sich diese ablehnende Haltung nach dem ENGIE-Coup über Nacht geändert hat, ist in höchstem Maße unwahrscheinlich. “Der Vorschlag, insbesondere der erste Schritt, einen 29,9-Prozent-Anteil von Suez von Engie zu kaufen, bleibt feindselig”, schrieb Suez-Chef Philippe Varin in einem Brief vom 4. Oktober an VEOLIA-Chef Antoine Frérot. Das klingt nicht nach offenen Armen. Sondern eher nach gnadenlosem Schlagabtausch in erster Runde.
Es gibt zudem einige Fragezeichen in der Causa SUEZ. Noch unklar ist, wie sich die strategische Partnerschaft konkret ausgestaltet, die SUEZ mit PreZero, der Tochter Schwarz Gruppe, des größten europäischen Handelskonzerns, vereinbart hat. Frage Nummer 2 ist, wie wird sich der bestens kapitalisierte und als pro SUEZ geltende Private-Equity-Fonds ANTIN in die Übernahmeschlacht einbringen wird. Insider hatten nicht ausgeschlossen, dass ANTIN ENGIE ein alternatives Angebot von bis zu 20 Euro pro Aktie unterbreiten könnte. Für den milliardenschweren Fonds wäre das problemlos zu stemmen gewesen. Dass dies letztlich nicht geschah, hat ANTIN damit begründet, dass ein solches Angebot „momentan keinen Sinn“ mache. Man achte auf das Wort „momentan“.
Eine entscheidende Frage ist schließlich auch, wie sich die Anteilseigner von SUEZ in der derzeitigen Situation positionieren. Die Aktienkurse der jüngsten Vergangenheit haben- das muss so gesagt werden- wenig Vertrauen eingeflößt. SUEZ steuert gegen, indem es den Aktionären vermutlich aus dem Verkauf des Entsorgungs- und Recyclinggeschäfts in Deutschland, Polen, Schweden, den Niederlanden und Luxemburg eine Sonderdividende verspricht. Dennoch könnte der eine oder andere Großaktionär versucht sein, Druck auf die SUEZ-Gremien auszuüben, weil er am Ende in Groß-VEOLIA eine höhere Chance sieht.
Die Übernahmeschlacht, eine hochemotional ausgelebte Rivalität zwischen den obersten Chefs der ungleichen französischen „Brüder“ VEOLIA und SUEZ, die es auf die Weltbühne geschafft hat. Bei allen geradezu krimihaften Zügen dieser „Affäre“ sollten aber die Beschäftigten nicht vergessen werden. Viele SUEZ-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treibt die verständliche Angst um den Arbeitsplatz um. Ihr CEO spricht von bis zu 10.000 Jobs, die infrage stehen könnten. VEOLIA hat zwar eine Arbeitsplatzgarantie abgegeben, aber nur für Frankreich.
Offen bleibt dabei auch, wie diese Garantie in Corona-Zeiten zu bewerten ist. Denn die ökonomischen Folgen der Pandemie-vor allem wenn sie länger andauert- ist selbst für die „Päpste“ unter den Experten kaum vorhersehbar.
VEOLIA hat zweifellos die Pole-Position eingenommen, doch das Rennen um den SUEZ-Cup, es ist noch nicht vorbei.
K H Glitza
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