Der „Krimi“ von Essen

Der „Krimi“ von Essen

Der „Krimi“ von Essen 150 150 Klaus Henning Glitza

Die „Harmuth-Offensive“- ein Lehrbeispiel für harsche Übernahmemethoden

 

Die Sache liest wie ein Krimi. Hat der REMONDIS-Konzern, die Nummer 1 unter den deutschen Entsorgern, versucht,  einen „lästigen Konkurrenten“ mit so genannten Dumpingpreisen „übernahmereif“ zu machen? Mit Methoden, die jenseits aller ethischen Normen und Werte liegen dürften? Ein Artikel in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung und eigene Recherchen von EM legen das nahe.

Blick auf die Harmuth-Fahrzeugflotte. Foto: Harmuth Entsorgung GmbH

Die Firma, um die es hier geht,  heißt  Harmuth Entsorgung GmbH. Ein Familienunternehmen in Essen-Bergeborbeck, das seit  über 50 Jahren besteht. Nach Eigenangaben hat sich der Betrieb mit seinen  mehr als 170 Mitarbeitern in den Bereichen Abfallerfassung, -verwertung und -entsorgung „eine außerordentliche Marktposition geschaffen“. Geschäftsführer sind Britta und Stefan Harmuth, Jahrgänge 1970 und 1943. Harmuth Entsorgung ist eine florierende Firma, die namentlich im Containerdienst  in direkter Konkurrenz zur REMONDIS-Beteiligungsgesellschaft Entsorgungsbetriebe Essen (EBE) steht.

Aber auch ein Unternehmen, das augenscheinlich bereits Federn lassen musste. Die Bonitätsbewertung ging von ursprünglich 1,7 (sehr niedriges Ausfallrisiko auf 2,4 (niedriges Ausfallrisiko) zurück. Das ist immer noch gut, aber deutlich weniger als „sehr gut“. War dies -neben den Corona-Folgen-möglicherweise auch eine Folge der EBE-Dumpingpreise, von denen im WAZ-Artikel die Rede ist?

Kein Geld verdient?

Folgt man dem WAZ-Betrag (Verfasser Marcus Schymiczek) soll der für Vertrieb & Containerdienst zuständige  EBE-Abteilungsleiter M.  seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „mit Nachdruck“ aufgefordert haben, die Preise von Harmuth „konsequent zu unterbieten“. Laut WAZ soll dabei in Kauf genommen worden sein, dass EBE aufgrund dieser „Dumpingpreise“ kein Geld verdiente oder wie ein Insider vermutet, “sogar zubuttern musste“.

Aus den vermeintlich wahren Motiven des Preiskrieges soll M. keinen Hehl gemacht haben.  Die so genannte   Harmuth-Offensive, sei von „ganz oben“ angeordnet worden, damit REMONDIS das Unternehmen  übernehmen könne, eröffnete er den verblüfften Mitarbeitenden.

Der Abteilungschef hat inzwischen das Haus EBE „in gegenseitigem Einvernehmen“ verlassen. Auf Nachfrage heißt es knapp: „Der ist nicht mehr  bei uns, keine Ahnung, wo er jetzt arbeitet.“ Da ist  Xing weitaus aussagekräftiger. Laut diesem sozialen Netzwerk ist M. in der Betriebsleitung von   REMONDIS GmbH & Co. KG, Oberhausen, untergekommen. Der Lohn für „treue Dienste?

EBE, so berichtet die WAZ, soll auf Regressansprüche verzichtet haben. Rücksicht auf den Mitgesellschafter?

Für M. ist eine Karriere bei REMONDIS kein Neuland. Bereits zwischen 2002 und 2011 war der Diplomkaufmann nach Eigengaben auf Xing als Niederlassungsleiter und Geschäftsführer der REMONDIS Gruppe tätig. Bei EBE, dem PPP-Konstrukt mit 49-prozentiger REMONDIS-Beteiligung,  heuerte er im März 2018 an.

Harmuth Entsorgung im Fokus

Kaum in Essen, soll sich  M. als verlängerter Arm des Minderheitsgesellschafters präsentiert haben, heißt es aus seinem Arbeitsumfeld. Schnell habe der Diplomkaufmann den Mitbewerber Harmuth in den Fokus genommen. Nach EM-Informationen soll das Unternehmen mit Hauptsitz am Essener Stadthafen   schon lange auf der Einkaufsliste von REMONDIS stehen. Schließlich sorgt die „außerordentliche Marktposition dafür,  dass „die Preise nicht frei gestaltet werden können“. So formuliert es ein Insider.

Konkurrenz, so sagt man, belebt das Geschäft, aber sie hält die Preise auch hübsch niedrig. Schon weil der Kostengünstigste jede Ausschreibung gewinnt und auch private und öffentliche Kunden auf den Cent schauen.

Angeblich soll es in der Vergangenheit bereits Offerten an Harmuth gegeben haben. Doch ein florierendes Unternehmen mit einer mehr als 50-jährigen Geschichte verkauft niemand so mir nichts,  dir nichts. „Die haben auf Granit gebissen“, so umschreibt es eine Insiderin .

Sollte mit der  „Harmuth-Offensive“ nachgeholfen werden. Damit Harmuth künftig „im Auftrage der Zukunft“ unterwegs sein kann?  Neu und schon gar nicht eine Überraschung wäre das nicht.

Keine Befehlsempfänger

Saubere Arbeit auf der Arbeitsebene. Ein Werbeplakat der Entsorgungsbetriebe Essen (EBE). Foto: EBE

Zur Ehrenrettung von EBE muss gesagt werden, dass die vom offenbar REMONDIS-affinen Abteilungsleiter M. zum Preiskrieg aufgeforderten Mitarbeiter diese Order nicht einfach hinnahmen oder stoisch befolgten. reine Befehlsempfänger waren sie nicht. Die Mitarbeiterinformierten, weil ihnen laut WAZ die Sache spanisch vorkam, den Betriebsrat. Schließlich handelt es sich bei Preisen, Daten und Gegenangeboten de jure um Geschäftsgeheimnisse, auf die ein Minderheitsgesellschafter, schon gar nicht  auf dem kleinen Dienstweg, ein Anrecht hat.  Auf jeden Fall  hat sich ein Whistleblower (vielleicht waren es auch mehrere) an die WAZ gewandt und umfassend ausgepackt.

Ein fragliches Gutachten?

Die Geschäftsführung von EBE hat inzwischen reagiert. Sie ließ ein rechtsanwaltliches Gutachten darüber erstellen, ob per Dumping-Preisgestaltung dem Unternehmen ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Denn die Dumpingpreise sollen weit unter dem marktüblichen Niveau gelegen haben und nach Einschätzung von Insidern alles andere als auskömmlich gewesen sein.

Die smarten Juristen haben dagegen nach WAZ-Informationen eine Schädigung verneint. Allerdings handelt es sich um Anwälte, die REMONDIS schon seit Jahren beraten haben und keinerlei Grund haben, ihren Mandanten zu verärgern. Der EBE-Aufsichtsrat hat offenbar deshalb angeregt, eine zweite juristische Meinung einzuholen.

 Ein bezeichnendes Licht

Die Harmuth-Offensive wirft ein bezeichnendes Licht auf die vermutlichen REMONDIS-Methoden, Übernahmekandidaten gefügig zu machen. Insider wollen sich  an ähnliche Fälle in der Vergangenheit erinnern. Auf der Einkaufsliste stehenden  Unternehmen  sei „systematisch das Wasser abgegraben wurde, bis ihnen wirtschaftlich dasselbe bis zur Halskrause stand“.

“Risiken und Nebenwirkungen”

Auch Entsorgungsunternehmen, die sich zusammen mit den Lünenern  (und damit gegen sie) an Ausschreibungen beteiligten, hätten massive „Risiken und Nebenwirkungen“ zu spüren bekommen, berichten mehrere Mittelständler.    Es seien Kämpfe nach der Art „Goliath gegen David“ gewesen“, wobei in diesen Fällen der strahlende Sieger Goliath hieß. In der Branche heißt es  deshalb: „Wer REMONDIS in die Quere kommt, braucht schnelle Pferde.“

Nach erfolgreichen Übernahmen  sei REMONDIS häufig als Wohltäter dahergekommen, der Unternehmen mit ungeregelter Nachfolgefrage  vor dem schmählichen Untergang bewahrt habe. Motto: Tue Gutes und rede darüber.  Laut Branchenkennern bleibe dabei aber unerwähnt,  dass die Lünener selbst zu einer Situation beigetragen haben könnten, die potenzielle  Unternehmensnachfolger letztlich dankend abwinken ließ.

Wenn Lünen den Hut aufhat

Auch bei Beteiligungsunternehmen mit den üblichen 49 Prozent Geschäftsanteilen lässt REMONDIS nach Insiderberichten die Hände nicht immer brav auf dem Tisch. Obwohl de facto Minderheitsgesellschafter,  haben die Lünener in solchen Gesellschaften  oft den Hut auf, schon weil sie die Geschäftsleitung stellen. Nicht alles, was ein Geschäftsführer tut, muss zwingend dem Betriebs- oder Aufsichtsrat vorgelegt werden. Glaubt man Insidern wurde in  einzelnen Fällen die Beteiligungsunternehmen so sehr auf REMONDIS-Dienstleistungen getrimmt, dass gegenüber den Lünenern ein regelrechtes Abhängigkeitsverhältnis entstand. Da gibt es dann kein Zurück mehr.

WAZ-Redakteur Marcus Schymiczek hat sich jedenfalls ein persönliches Urteil gebildet.  Die Rethmann-Gruppe, zu der auch REMONDIS gehört, stehe  im Ruf, „nicht zimperlich zu sein, wenns ums Geschäft geht“, schreibt er.

EBE und Harmuth Entsorgung wurden im Übrigen  Stellungnahmen angeboten. Die angemailte Britta Harmuth machte davon keinen Gebrauch. EBE ließ durch Simon Gerich von der Unternehmenskommunikation mitteilen, dass das Unternehmen „zu dem Thema keine Stellungnahme abgeben“ werde.  Er “bitte um Verständnis“.

khg

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