Ehemalige grüne Umweltministerin Thüringens ist heute zur Nachfolgerin von Präsident Peter Kurth gewählt worden
Im nichtöffentlichen Teil der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) ist am heutigen Donnerstag die ehemalige grüne Umweltministerin Thüringens einstimmig bei zwei Enthaltungen als Nachfolgerin von Peter Kurth gewählt worden,
Damit habe der Verband gewissermaßen einen „Green Deal“ geschmiedet, wie es ein Insider formuliert. Überraschend war die Wahl von Anja Siegesmund nicht. Das „Munzinger Archiv“ hatte sich sogar schon im Vorfeld als visionär erwiesen. Der renommierte Informationsanbieter von Kurzbiografien vermeldete Anja Siegessmund bereits als „Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft“, als sie noch gar nicht gekürt war. Das holten dann die stimmberechtigten Mitglieder des Bundesverbandes am heutigen Donnerstag nach.
Das Interregnum
Nimmt man es ganz genau, wurde das Mitglied des Bündnis 90/Die Grünen damit Präsidentin in spe. Denn bis Januar 2024 bleibt Amtsinhaber Peter Kurth in dieser Position, Danach wird -wie bereits berichtet- ein Triumvirat um Geschäftsführer Dr. Andreas Bruckschen und die Vizepräsidenten Herwart Wilms und Oliver Groß den BDE führen.
24 Monate wären möglich gewesen
Der Grund für das Interregnum und die zeitliche Verzögerung ist das Thüringer Ministergesetz. das von den Grünen mitinitiiert und mitbeschlossen wurde. Es gibt eine Karenzzeit vor, wenn ein Regierungsmitglied von der Landespolitik in die Wirtschaft wechselt. Ein Beratergremium, zu der auch ein Vertreter der Nichtregierungsorganisation Transparency International gehört, sprach sich für eine Wartezeit von 16 Monaten aus. Das war vergleichsweise gnädig, denn laut Gesetz wären auch 24 Monate möglich gewesen, Die Grünen selbst hatten sich gar im Vorfeld der Novellierung sogar für 36 Monate ausgesprochen.
Die erste Frau an der BDE-Spitze
Jetzt sind die Weichen gestellt. Anja Siegesmund kann von der Thüringer Landespolitik in den Wirtschaftsverband BDE wechseln, wenn die Karenzzeit im Juni 2024 endet. Als erste Frau an der Spitze des Verbandes. Aber das ist nichts Neues in der Vita der Anja Siegesmund. Als sie im Dezember 2014 zur Thüringer Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz und Stellvertreterin des Ministerpräsidenten des Freistaates ernannt wurde, war sie gleichfalls die erste Frau, die in diesem Bundesland dieses hohe Amt bekleidete. Zudem mit 37 Jahren das jüngste Kabinettmitglied. Und im Übrigen auch eine der beiden wirklich waschechten Thüringer in der Landesregierung.
Wer ist diese Persönlichkeit?
Wer ist diese Persönlichkeit, die künftig an der Spitze des einflussreichen BDE-Bundesverbandes stehen wird? Geboren wurde Anja Siegesmund, geborene Kaschta, am 16. Januar 1977 in Gera, der nach Erfurt flächenmäßig zweitgrößten Stadt Thüringens. Aufgewachsen ist sie in einem Plattenbaugebiet im Stadtteil Lusan. Viel grauer Beton, vernachlässigte Außenflächen, wenig grün. Nicht weit entfernt waren die Hügel des Uranbergbaus. In den Fließgewässern Geras schillerten die Rückstände des Färbebetriebes VEB Modedruck in allen farblichen Nuancen. Auch Grün war wohl dabei. Aber nicht in dem Sinne, den sich die spätere Ministerin seit Kindesbeinen erhoffte.
Geprägt vom christlichen Geist
Das Zuhause inmitten der Plattenbauten war vom christlichen Geist geprägt. Die Eltern waren alles andere als systemnah. Der Vater, ein Schlosser verweigerte den Militärdienst, was damals einem Affront gleichkam. Die Mutter arbeitete als Feinmechanikerin, Als “Wir sind das Volk“ auch durch Geras Straßen schallte, war das Kind zusammen mit seinen Eltern bei den Herbstdemos dabei. Mit einer Kerze in der Hand. Als die Mauer fiel, war Anja Siegesmund zwölf Jahre alt.
Dem Glauben ist sie treu geblieben. Seit Oktober 2021 ist sie Mitglied Präsidiumsvorstands der Laienbewegung evangelischer Christen. Den Kirchentag 2025 wird Anja Siegemund an prominenter Stelle mitgestalten. Sie ist als Präsidentin der in Hannover stattfindenden Großveranstaltung designiert. „Meinen ersten Kirchentag erlebte ich 1999 in Stuttgart unter dem Motto ‚Ihr seid das Salz der Erde‘“, schreibt sie selbst. „Ganz im Sinne des Theologen Klaus-Peter Hertzsch, den ich in meiner Kirchgemeinde in Jena oft predigen hörte, war dieses Erleben in Stuttgart, wie das erste Mal gemeinsam „Vertraut den neuen Wegen, / auf die der Herr uns weist, / weil Leben heißt: sich regen, / weil Leben wandern heißt.“ zu singen. Das lässt einen nicht mehr los.“
Die politische Karriere

Bleibt bis Januar 2924 im Amt: BDE-Präsident Peter Kurth, Foto: Harald Steiner
Präsidentin des BDE, zumindest in spe, ist sie jetzt obendrein. Dabei hatte zunächst alles auf eine politische Karriere hingedeutet. Nach dem Abitur am Goethe-Gymnasium in Gera und dem Studium der Politikwissenschaft, Psychologie und Germanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie – mit DAAD-Stipendiat–an der Louisiana State University (Baton Rouge) war die Magistra Artium (M.A.) 2002 dem Bündnis 90(Die Grünen beigetreten. Zwischen 2003 und 2009 fungierte sie als Persönliche Referentin im Wahlkreisbüro Erfurt der bekannten Bundestagsabgeordneten Katrin Göring-Eckardt, die ihre Mentorin wurde. Eine prägende Verbindung.. Ebenso wie die amtierende Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und ehemalige Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion wird sie zum pragmatischen Flügel der Grünen, den sogenannten Realos, gezählt.
Ticket in die Landespolitik
Diese hochkarätige Connection, aber auch ihr bekanntes Machtbewusstsein und ihr Ehrgeiz, waren augenscheinlich das Ticket in die Landespolitik. Von 2009 bis 2015 sowie von 2019 bis 2020 gehörte Anja Siegesmund dem Thüringer Landtag an und wurde Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. im Thüringer Landtag. Am 5. Dezember 2014 wurde ihre politzische Karriere mit der Ernennung zur Thüringer Umweltministerin und stellvertretenden Ministerpräsidentin gekrönt. Ein Amt, das sie mit kurzer Unterbrechung bis zum 31. Januar dieses Jahres ausübte. In dieser Zeit trieb sie die Energiewende in Thüringen voran und sorgte dafür, dass dieses Bundesland als erstes ein Klimaschutzgesetz bekam. Sie setzte sich unter anderem auch dafür, dass ein DDR-Plattenbau in Stadtroda mit Millionenaufwand begrünt und klimaneutral wurde. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, dass sie dabei an ihre Kindheit und Jugend in der „Platte“ gedacht haben dürfte.
Der Paukenschlag
Dann kam der Paukenschlag, der viele überraschte. „Ich habe aus persönlichen Gründen entschieden, am 31. Januar 2023 meine Ämter niederzulegen und geordnet in neue Hände zu übergeben“, erklärte Anja Siegesmund Anfang des Jahres. Als Hintergrund ihrer Demission gab sie persönliche Gründe an. Sie wünsche sich als Mutter von drei Töchtern eine Auszeit bis zum Herbst. Dieser Wunsch ist wahr geworden, wenn sich auch die Auszeit bis in das nächste Jahr zieht.
Eins und eins zusammengezählt
Allen voran die Thüringer Medien zählten eins und eins zusammen. Eine Ministerin, die ihr Amt zur Verfügung stellte, ein Bundesverband mit einer offenen Personalfrage, kommunikative BDE-Mitglieder, die am Rande einer Messe von einer „Frau von Grünen“ als künftige Präsidentin sprachen. Eine Konstellation, die Anja Siegesmund schnell in den Zusammenhang mit der Peter-Kurth-Nachfolge brachte. Sie selbst hüllte sich in Schweigen- ebenso wie der Verband. Faktum ist, dass die Ministerin a.D. zunächst eine von mehreren Kandidatinnen und Kandidaten war. Und noch keine finale Entscheidung gefallen war. Wenn auch Anja Siegesmund immer ganz vorne auf der Hitliste der Bewerber stand- und sie schon frühzeitig als Favoritin galt.
Geschickter Umgang mit Menschen
Wichtiger noch als ihre Parteizugehörigkeit (die für die Kreislaufwirtschaft maßgeblichen Ministerien BMW und BMUV befinden sich in grüner Hand) erscheint das Geschick der Anja Siegesmund, mit Menschen umzugehen. In ihrer Zeit in der Thüringer Landespolitik erschien es ihr immer wichtig, zum Erfolg führende Allianzen zu schmieden. Wenn ihr Name fällt, ziehen auch Oppositionspolitiker anerkennend die Augenbrauen hoch.
Das sind Eigenschaften, die Anja Siegesmund ebenso wie dem Verband ganz sicher auch in ihrer künftigen Rolle zugutekommen werden.
khg
Oberstes Bild: Ein Foto aus dem Jahr 2021. Anja Siegesmund übergibt einen Förderbescheid über 2,4 Millionen Euro aus der Wärmeoffensive ihres Ressorts an die Wohnungsbaugesellschaft (WBG) Stadtroda. Foto: Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz
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