Brancheninfo aktuell 63-03/2021

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Brancheninfo aktuell 63-03/2021 150 150 Klaus Henning Glitza

Wiener Verein will Streuschäden kollektiv geltend machen

 

Sollten sich die derzeitigen Tatvorwürfe gegen 23 österreichische Entsorgungsunternehmen bewahrheiten, stehen möglicherweise Musterklagen bevor.

Die in Wien ansässige gemeinnützige Plattform für kollektiven Rechtsschutz COBIN claims hat angekündigt,  „offene Rechtsfragen beim Schadenersatz für Kartell-Opfer zu klären,  Streuschäden kollektiv geltend zu machen und eine Basis für die Entschädigung von Bürgern/KMU/Gemeinden schaffen“.

Streuschäden sind in großer Masse auftretende Schäden, deren einzelne Streitwerte jedoch gering sind. So steht einem in Summe massiven Gesamtschaden eine Einzelschädigung in  weit unterdurchschnittlichen Maße gegenüber.

Obmann Mag. Oliver Jaindl sowie Dr. Wolfgang Haslinger, Vorsitzender des Beirates Rechtsanwälte bei COBIN claims, wollen deshalb  „ ein bis jetzt noch unbekanntes Terrain des Kartellschaden-Ersatzes erschließen“.  Ziel sei es,  in Österreich „erstmals eine taugliche Basis zu schaffen, dass Bürgerinnen und Bürger wie auch KMU und Gemeinden Schadenersatz für überhöhte Preise infolge von Kartellen erhalten“. Hier bestehe ein Rechtsschutz-Defizit, „das wir als Verein adressieren und bekämpfen wollen“, so die beiden Vereinsvertreter.

Bei Kartellschäden bestehe nach COBIN claims-Angaben folgendes Problem: „Im Fall der mutmaßlichen Müllentsorgungs-Absprachen etwa liegt die Vermutung nahe, dass die Absprachen zu erhöhten Preisen geführt haben – das liegt in der Natur von Kartellen. Diese erhöhten Preise werden am Ende Konsumentinnen und Konsumenten, KMU und Gemeinden weitergegeben, die mehr für Leistungen bezahlen, als sie bei funktionierendem Wettbewerb müssten. Diese, wenn auch nur geringen Mehr-Zahlungen, stellen Schäden dar, die sich im Lauf der Jahre summieren. Eingeklagt wurden diese Schäden in Österreich aber de facto niemals.“

 „Es ist zwar so, dass die Wettbewerbsbehörde – und die Arbeit der BWB sei ausdrücklich positiv hervorgehoben! – einschreitet und in der Vergangenheit auch empfindliche Strafen verhängte, diese Zahlungen kommen aber nicht den Geschädigten zugute und haben als solches auch nichts mit Schadenersatz zu tun“, heißt es in einer COBIN claims- Erklärung.  Sie stellten einen Tadel für unrechtes Handeln dar, aber keinen Schadenausgleich. „Unserer Erinnerung nach wurden in Österreich kaum derartige Schäden eingeklagt, weil für Betroffene die Einklagung dieser sogenannten Streuschäden wirtschaftlich selten sinnvoll ist. Nimmt man etwa an, dass innerhalb von zehn Jahren ein Haushalt jeden Monat fünf  Euro zu viel für eine Leistung bezahlt hat, würde das auf zehn Jahre gerechnet einen Klageanspruch mit Zinsen von etwas unter 1000 Euro ergeben“. Einen derartigen Schaden klage angesichts der Prozessrisiken von mehreren tausend Euro natürlich niemand ein, zumal auch zur Schadenfeststellung vermutlich ein ausgeklügeltes wirtschaftliches Gutachten nötig  sei.

„ Wir wollen daher unserem Vereinsauftrag folgend nun den Fall weiter beobachten, Fakten zusammentragen und bitten Bürger, KMU und Gemeinden, sich als mögliche Musterkläger zu melden“, so  Haslinger und Jaindl. Und: „Wir würden uns freuen, wenn wir hier mit einzelnen Gemeinden, die ihren Bürgern einen guten Dienst erweisen wollen, in einer Art ,Public-Privat-Partnership‘ kooperieren können“.

CC/rd

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